Domaine Lionnet, Cornas

In der sengenden Augustsonne Südfrankreichs mache ich mich auf, eine der spektakulärsten Weinregionen Frankreichs zu erkunden: die nördliche Rhône. Beginnend südlich von Lyon erstreckt sich die bergige Region entlang des Rhônetals bis nach Valence. Je nördlicher, desto steiler ragen die Weinberge rechts des Flusses hinauf. Die Steigung lässt Weinbau meist nur in Einzelpfahlerziehung zu, zudem zerrt der unbändige Mistral an den Rebstöcken und produziert bisweilen skurrile Verformungen der Reben.

Die Côte Blonde, eine der berühmten Lagen von Côte Rôtie

Sortenvielfalt ist hier eher ein Fremdwort – die Rotweine der bezeichneten Lagen basieren auf Syrah, die Weißweine auf Viognier, Marsanne und Roussanne, allesamt indigene Sorten des Rhônetals. Die berühmten Lagen der Nordrhône, Côte Rôtie, Condrieu, Château Grillet, St. Joseph, Hermitage, Crozes-Hermitage, Cornas und Saint-Péray klingen wie Musik in den Ohren von Weinkennern. Die Stilistik insbesondere der Rotweine ist einzigartig. Elegant, mit pfeffrigen Noten und wenig Alkohol unterscheiden sie sich deutlich von den hochalkoholischen Vertretern der Südrhône oder den Fruchtbomben aus der neuen Welt. Die Weißen zeigen sich demgegenüber eher körperreich, mit weniger Säure und deutlichen Honigaromen. Rote wie Weiße weisen ein hohes Alterungspotenzial auf (Ausnahme: Viognier-basierte Weine).

Der Nachteil: Fast ausnahmslos reihen sich sämtliche Weine der Nordrhône im oberen Preissegment ein und sind zudem in Deutschland nur sehr spärlich vertreten. Günstigere Vertreter im Export stammen meist von weniger interessanten Terroirs und profitieren dennoch von der Zugkraft des Lagennamens, zu sehen bisweilen in den Bereichen Crozes-Hermitage und St. Joseph. Ich mache mich also auf die Suche nach den „Hidden Gems“. Fündig werde ich in einer südlicheren Lage der Nordrhône: in Cornas.

Typische Steillage mit Einzelpfahlerziehung in Cornas

Mitten im eher unspektakulären Ort befindet sich die Domaine Lionnet. Ein bescheidenes Gebäude, Scheune, Wohnhaus, ganz ohne Glamour. Das Weingut ist seit Mitte des 16. Jahrhunderts im Familienbesitz und wird von Ludovic Izerable und Corinne Lionnet bewirtschaftet. Auf nur gut vier Hektar der Lagen Cornas und Saint-Joseph werden mit einer Ausnahme Rotweine nach Bio-Zertifizierung erzeugt. Neues Holz in kleinen Fässern kommt nur wenig zum Einsatz, es dominieren 600 l demi-muids aus altem Holz. Neben den Cornas und Saint-Joseph gibt es noch zwei vermeintlich einfache „Vin de France“ aus jeweils 100% Mourvèdre bzw. Carignan unter dem Label „Cave Lionnet“. Die Klassifikation als Vin de France hat dabei weniger mit Qualität als vielmehr dem Wunsch der Winzer zu tun, aus den strikten Regularien der Appellation auszubrechen.

Leider habe ich insoweit Pech, als die Winzerfamilie zum Zeitpunkt meines Besuchs im Urlaub weilt, was Einem im August natürlich schnell passieren kann. Empfangen wurde ich stattdessen überaus freundlich von Stéphanie, welche in Abwesenheit der Winzerfamilie den Betrieb aufrecht hält. Wir steigen direkt vom Hof mit 38 Grad in den auf 12 Grad heruntergekühlten Keller hinab, ein echter Kälteschock, der sich aber gelohnt hat!

Stéphanie erklärt mit Hingabe die einzelnen Weine und es wird die ganze Bandbreite ohne zu fragen durchprobiert. Die Frische und Leichtigkeit der Weine begeistert sofort, hätte man doch bei Syrah & Co. eher die schwere Variante erwarten können. Aber das ist ja gerade der Reiz der nördlichen Rhône! Beispielhaft hier nochmal drei echte Perlen in der Detailverkostung:

2022 Vin de France „Rien“ Que Du Mourvèdre, 12, % Vol

Der für Cornas unübliche Mourvèdre besticht sofort mit opulenter Frucht in der Nase. Deutliche Noten von Brombeere, Schwarzkirsche, Erdbeere und etwas Lakritze. Verhaltene provenzalische Kräuternoten. Am Gaumen mittlere Säure, deutliche, feine Tannine, die noch etwas reifen können. Erfreulich leichter Körper mit unaufdringlichem Alkohol und einem überraschend langen Abgang. Ganz untypisch zugänglich für so einen jungen Mourvèdre. Ein Genusswein, der schon jung getrunken werden kann. 16/20

2022 Vin de France „Rien“ Que Du Carignan, 14% Vol.

Der Carignan, immer eine etwas schwierige Rebsorte in der Jungverkostung, kommt schon etwas eckiger daher. In der Nase dominieren zunächst mittlere Noten von Lakritze und Wermut, im Hintergrund Brombeere, etwas alkoholisch. Mittlere Säure, leichte, feine aber noch ungeschliffene Tannine. Etwas dominanter Alkohol bei vollem Körper, noch dominant im Mittel/+ Abgang. Carignan eben. Sollte man noch etwas liegen lassen. 15/20

2022 Cornas „Terre Brulée“, 13,5% Vol

Eines der Aushängeschilder der Domaine. Noch etwas verhalten in der Nase, mit Aromen von Veilchen, schwarzem Pfeffer, ein Hauch animalische Noten und ganz hinten die Schwarzkirsche. Schon sehr weich und ausgewogen am Gaumen, feine Tannine sind noch sehr griffig. Mittlere Säure. Gut eingebundener Alkohol bei mittlerem Körper und ein Mittel/+ Abgang. Schon jetzt interessant, aber definitiv etwas für einige Jahre im Keller. Das sollte sich lohnen. 16,5/20

Santé!

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