Chanel im Glas

Unweit der spektakulären Felsklippen der Calanques nahe Marseille zieht es jedes Jahr zahlreiche Franzosen zu einem echten Highlight der Côte Bleue: der Insel Porquerolles. Außerhalb von Frankreich eher unbekannt, zählt Porquerolles zur Inselgruppe der Îles d’Hyères, nur 7,5 km lang und 3 km breit.

Porquerolles wird auch „Insel der Milliardäre“ genannt – nicht wegen Ihrer Bewohner, sondern vielmehr aufgrund der eigentümlichen Geschichte. Der belgische Minenbesitzer Fournier war einst Eigentümer und schenkte die Insel seiner Frau Sylvia im Jahr 1910 zur Hochzeit. Fournier hatte von Anfang an die Idee, die Insel als ein autarkes Ökosystem zu gestalten und dazu gehörte auch der Anbau von Wein. 1971 erwarb der französische Staat das Eiland von den Erben Fourniers. Anfang des 21. Jahrhunderts erwarb die Familie Wertheimer die Insel. Wertheimer – der NAme steht nicht nur für das Modehaus Chanel, sondern auch für diverse Weingüter, wie etwa Rauzan-Ségla in Margaux. Die Wertheimer erwarben auch das Weingut der Insel, welches heute als Domaine de l’Ile firmiert.

Der Ruf von der exzellenten Qualität der Weine und das exklusive Flair machen mich neugierig und so mache ich mich bei 35 Grad im August auf, die Insel und den Wein zu erkunden. Mit der Fähre von der Halbinsel Giens setzt ma in 20 Minuten über und es eröffnet sich der Blick auf den malerischen kleinen Hafen von Porquerolles.

Ein Städchen wie im Bilderbuch empfängt mich. Fast gänzlich autofrei, dafür bevölkert mit zahllosen Fahrrädern, die man an mehreren Stationen mieten kann, um die Insel zu erkunden.

Zu Fuß mache ich mich auf den Weg zur Domaine de l’Ile. Nur ein paar Schritte abseits der „Hauptstraße“ erlebe ich die unglaubliche Stille, für die Porquerolles bekannt ist. Wenn abends das letzte Schiff die Insel gen Festland verlässt, lässt sich die Stille auch in der sonst trubeligen kleinen Hafenstadt erleben.

Nach fünfzehn Minuten erreiche die Domaine. Absolut unscheinbar und schön wie im Bilderbuch duckt sich der kleine Verkaufsraum unter den riesigen Bäumen. Ich werde freundlich empfangen und wir kommen sofort ins Gespräch.

Die Domaine verfügt über stattliche 26 Hektar Weinberge, bepflanzt mit den für die Region typischen Sorten: Grenache, Mourvèdre, Cinsault, Syrah, Tibouren und Rolle. Die Böden zeigen eine Mixtur aus Sand, Schiefer und Ton. Im Bild oben die zentrale Anlage mit für die Region typischer Erziehung ohne Drahtrahmen. Dementsprechend ist hier alles Handarbeit und die Ernte erfolgt stets bei Nacht, um mit Hilfe der kühleren Temperaturen der vorzeitigen Oxidation vorzubeugen. Das Ganze auch noch Bio-zertifiziert.

Im winzigen Verkaufsraum werden drei Weine angeboten: Rosé, Weiß und Rot. Der Rote ist noch ein Geheimtip, zum ersten Mal wird er dieses Jahr aus Grenache, Mourvèdre und Cinsault hergestellt Der Verkauf des Roten erfolgt nur auf der Domaine, selbst auf der Website ist er noch nicht zu finden.

Flaggschiff des Hause ist – wie auch sonst in der Provence – natürlich der Rosé. Gekeltert aus jeweils etwas weniger als einem Drittel Grenache, Syrah und Cinsault. Mourvèdre und Tibouren ergänzen die Cuvée. Aromen von Grapefruit, Teeblättern und Eukalyptus, gepaart mit gut ausbalancierter Säure zeichnen diesen charaktervollen Wein aus, der mit 12,5% Alkohol im guten Rahmen bleibt.

Etwas genauer konnte ich mir später den Weißen und den Roten ansehen:

Domaine de l’Ile, Porquerolles

2023 Côtes de Provence blanc, 13,5% Vol.

Ein sehr zartfarbiger Weißwein aus 100% Rolle. Rolle stammt ursprünglich aus Italien und ist dort unter dem Namen Vermentino bekannt. Die Präsenz dieser Rebsorte im südlichen Frankreich und Korsika weist deutlich auf den Einfluss Roms und Italiens hin, der über viele Jahrhunderte bestand. Mit 13,5% kein Leichtgewicht, zeigt der Weiße deutliche Aromen von Birne, Eukalyptus und gelber Pflaume an der Nase. Der 2023er kommt noch sehr jugendlich daher. Trocken, mit deutlicher Säure, spürbaren Alkohol und fast vollem Körper und einem sehr guten Abgang. Es fehlt noch etwas die Balance und die Wuchtigkeit des Weins nimmt ihm etwas die Frische. 15,5/20

2023 Côtes de Provence „Prémices“ rouge, 12,5% Vol.

Ein Experimentalwein, der die verschiedenen Terroirs der Insel vereinen soll, indem jeweils eine Rebsorte aus einer Inselregion zur Cuvée beisteuert. Mourvèdre, Grenache und Cinsault übernehmen diese Aufgabe. Es werden nur 4.000 Flaschen produziert. Sehr leichte rubinrote Färbung. In der Nase zeigt sich der 2023er sehr jugendlich, mit Aromen von Lakritz, Schwarzkirsche, Erdbeere und weißem Pfeffer. Trocken, mit sehr zurückhaltenden Tanninen am Gaumen und einer deutlich bitteren Beinote. Die Kirscharomen dominieren am Gauben. Mittlerer Körper und guter Abgang. Mit 12,5% Alkohol erfreulich leichtgewichtig. Sicherlich ein Experiment, und es bleibt abzuwarten, ob sich im Keller noch eine bessere Komplexität entwickelt. 15/20

Fazit: Allein die Insel ist eine Reise zu dieser Domaine wert – zu „Chanel im Glas“ fehlt aber doch noch ein Stück. Santé!

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